10. Juli 2018 – Interview

«Wir wollen das literarische Übersetzen als kreative Urheberschaft anerkennen.»

Stephanie von Harrach (links) und Sabina Brunnschweiler

Stadt und Kanton Zürich intensivieren ihre Förderung für Literaturübersetzerinnen und Literaturübersetzer: Mit dem Werkjahr und dem Werkbeitrag werden sie den Autoren und Autorinnen in der Förderung gleichgestellt. Damit leistet Zürich in der Schweiz Pionierarbeit. Gabriela Stöckli, Geschäftsleiterin des Übersetzerhauses Looren, hat sich mit Stephanie von Harrach (Literaturförderung Stadt Zürich) und mit Sabina Brunnschweiler (Literaturförderung Kanton Zürich) unterhalten.

Seit wann und in welcher Form fördern Ihre Institutionen Literaturübersetzerinnen und -übersetzer? Und werden diese gleich behandelt wie Autorinnen und Autoren?

Stephanie von Harrach (SvH): Punktuelle Übersetzerförderung betreibt die Stadt Zürich im Prinzip schon seit Jahren – einige herausragende Übersetzungsprojekte wurden nach ihrem Erscheinen ausgezeichnet. Die Öffnung des Gefässes Werkjahr für Literaturübersetzerinnen und -übersetzer und damit die systematische Förderung erfolgt erst seit diesem Jahr. Es gelten dieselben Bedingungen wie für Autorinnen und Autoren: Ein publiziertes Werk muss bei der Bewerbung bereits vorliegen, überzeugen muss aber schliesslich die Textprobe. Bei Übersetzungen verlassen wir uns für die Beurteilung auf externe Expertisen.

Sabina Brunnschweiler (SB): Der Kanton Zürich vergibt ebenfalls schon lange Anerkennungsbeiträge im Bereich Übersetzung. Seit 2017 können Übersetzerinnen und Übersetzer auch Werkbeitragsgesuche einreichen. Im Unterschied zur Stadt muss beim Kanton noch kein publiziertes Werk vorliegen. Es gelten auch in diesem Punkt die gleichen Regeln wie für Autorinnen und Autoren. 

Warum haben Sie entschieden, Übersetzerinnen und Übersetzer in die Literaturförderung zu integrieren?

SvH: Das literarische Übersetzen ist eine anspruchsvolle künstlerische Tätigkeit, die häufig hinter der Original-Autorschaft verschwindet. Sie soll stärker sichtbar gemacht und gleichermassen als kreative Urheberschaft anerkannt werden. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, die Rahmenbedingungen für den äusserst prekären Berufsstand der Literaturübersetzerinnen und -übersetzer ein Stück weit zu verbessern.

Zürich übernimmt mit dieser Förderung auf Gemeinde- und Kantonsebene eine Pionierrolle. Hatten Sie Vorbilder?

SB: Nein, Vorbilder hatten wir keine. Das Ziel, Übersetzerinnen und Übersetzer in der Förderung gleich wie Autorinnen und Autoren zu behandeln, haben allerdings nicht wir erfunden. Das war in Gesprächen mit anderen öffentlichen Förderstellen und Partnern wie dem Übersetzerhaus Looren, den Autorinnen und Autoren der Schweiz (AdS), der ch Reihe und Pro Helvetia schon lange ein Thema.   

Welche Kriterien gelten bei der Beurteilung der Anträge und bei der Definition dessen, was preiswürdig ist?

SB: Bei den Werkbeitragsgesuchen lassen wir von einem Übersetzungsexperten oder einer -expertin der jeweiligen Sprachen und Genres ein externes Gutachten erstellen. Diese primär sprachlich-literarischen Beurteilungen spielen bei der Entscheidung unserer Kommission eine wichtige Rolle. Entscheidend ist aber auch die Frage nach dem Mehrwert einer Übersetzung für die hiesige Leserschaft: Wird die Autorin oder ein Werk von ihr zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt? Wird etwas zugänglich gemacht, das bisher kaum bekannt war? Bei anderen Gesuchen sind die Einordnung des Projekts ins bisherige Schaffen einer Übersetzerin oder der beteiligte Verlag ein zusätzliches Kriterium.

SvH: Bei den Anerkennungsbeiträgen für bereits publizierte Übersetzungen stehen der Schwierigkeitsgrad sowie die sprachliche Originalität des Ursprungstextes und die damit verbundenen Herausforderungen an die Übersetzung im Vordergrund. Auch die Qualität und Anzahl bisheriger Übersetzungen des Bewerbers werden berücksichtigt.

Fördern Sie das literarische Übersetzen noch auf andere Art und Weise?

SvH: Herausragende Neuerscheinungen von literarischen Übersetzerinnen oder Übersetzern aus Zürich kommen auch für die jährlichen städtischen Anerkennungsgaben in Betracht. Ausserdem fördern wir Veranstaltungen, die sich der Literaturübersetzung widmen und so dem spannenden Metier des Übersetzens zu mehr Sichtbarkeit verhelfen.

SB: Der Kanton Zürich unterstützt das Übersetzerhaus Looren mit einem jährlichen Betriebsbeitrag für sein Vermittlungsprogramm in der Region. Allgemein fördern wir Veranstaltungsreihen im Kanton Zürich, die das literarische Übersetzen zum Thema haben. Und seit diesem Jahr können auch Verlage, die belletristische Publikationen herausgeben, die von Zürcherinnen übersetzt worden sind, um einen Druckkostenbeitrag ersuchen. Damit schliessen wir eine weitere Lücke auf dem Weg zum Ziel, Übersetzerinnen gleich wie Autorinnen zu behandeln. 

Nächster Eingabetermin bei der Stadt Zürich: 1. September 2018
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Nächster Eingabetermin beim Kanton Zürich: 30. April 2019
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Fotos: Silke Slevogt (Stephanie von Harrach) und Adrian Elsener (Sabina Brunnschweiler)

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